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Harmonie um jeden Preis?

Harmonie um jeden Preis?

Harmonie ist etwas Schönes. Sie schmeichelt den Augen mit schönen Formen und Farben und den Ohren mit Wohlklang. Sie ist ein kleines Stück „Wellness“ für die Seele. Deshalb wollen wir sie: in der Ehe, in Familien, in Beziehungen, in den Kirchen und Gemeinden. Ein harmonisches Zusammenleben in der Gesellschaft ist doch ein erstrebenswertes Ideal!

Auf der Suche nach diesem Ideal und angesichts der kräftezehrenden Widrigkeiten des Alltags sind viele von uns harmoniebedürftig geworden: Alle sollen sich gut verstehen; scharfe Wortwechsel sind zu meiden; Kontroversen werden umschifft; sogar konstruktive Kritik wird ausgespart. Oft entsteht so (gerade unter Christen) eine Art künstlicher Scheinfriede, der Harmonie vorgaukelt, während es im Innern brodelt. Das Schlimmste, was dieses Idyll stören könnte, wären Menschen, die die Dinge in einem anderen Licht darstellen, unbequeme Fragen aufwerfen oder provokante Statements abgeben.

So unbequem es oft war, aber genau das war über die Jahrhunderte hinweg eine Stärke der Kunst: die Selbstzufriedenen erschüttern, den trägen Fluss des Lebens aufwühlen und Gewohntes so verfremden, dass immer wieder ein Aufschrei durch die Reihen der Harmoniebedürftigen ging. So wurde die Kunst zu einem Katalysator, der im Überwinden von Althergebrachtem Neues entstehen ließ. Natürlich geht es dabei um das „Warum“, denn Provokation um der Provokation willen ist primitiv; natürlich muss man das Lebendige wollen, wenn man das Leblose anprangert; und natürlich gibt es diese echte, schöne Harmonie, die bewahrt werden muss. Trotzdem wäre es öfter mal angebracht, dass wir Künstler, die ihren Glauben ernst nehmen, im Sinne unserer Verpflichtung zur Wahrheit schönen Schein demaskieren, unbequeme Wahrheiten artikulieren und einen mit Ungerechtigkeit erkauften Konsens identifizieren.

War es nicht unser Herr, der die Heuchelei der „weiß getünchten Gräber“ schalt und Äste, die keine Frucht bringen, abhauen wollte? Wie oft hinterfragte er althergebrachte Denkweisen und widersprach dem, worauf sich die Gesellschaft geeinigt hatte? Und auch ein gewisses Maß an Provokation kann man ihm nicht absprechen!

Kunst kann Klartext reden; Schauspiel und Text können ans Licht bringen, was die Gesellschaft unter den Teppich kehrt; starke Bilder können Leid thematisieren, das niemand mehr ansehen will; Kunstwerke können uns an das erinnern, was wir nie vergessen sollten. Wo wir uns gerufen fühlen, sollten wir als Künstler bereit sein, in der richtigen Gesinnung leblose Harmonien zu stören, damit neues Leben in Jesus Christus Raum gewinnen kann.

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