Sechs Monate nach dem Beginn der Krise im Sudan flüchten Sudanesen noch immer in benachbarte Länder.
Am 15. April 2023 brachen schwere Kämpfe zwischen rivalisierenden Militärkräften im Sudan aus. Dies stellt die Fortsetzung eines mehr als 30 Jahre alten Konfliktes dar. Dieser eskalierte Konflikt führte zu einer verschärften nationalen Krise in der drittgrößten Nation Afrikas.
Mehr als die Hälfte der sudanesischen Bevölkerung leidet unter einem Mangel an sauberem Trinkwasser, Nahrung, grundlegender medizinischer Versorgung und Treibstoff**. Das Africa Center for Strategic Studies schätzt, dass in den ersten fünf Monaten der Krise zusätzlich 4,89 Millionen Flüchtlinge innerhalb des Sudans vertrieben wurden und 1,36 Millionen das Land verlassen haben***. Darüber hinaus wurden schätzungsweise 10 000 Zivilisten getötet und viele weitere verletzt, mit schwerwiegenden ökonomischen Folgen, da Eigentum und Lebensgrundlagen zerstört wurden.
Mit dem Andauern des Konfliktes für fast sechs Monate sprach OM mit OM-Leitern in drei benachbarten Länder darüber, welche Auswirkungen dies auf sie hat. Vor dem Beginn der Krise hatte jedes der drei Länder bereits hunderttausende sudanesische Flüchtlinge aufgenommen und musste sich zudem auch seinen eigenen ökonomischen Problemen und/oder Nahrungsmittelkrisen stellen. Seit April 2023 sah sich jedes der Länder mit weiteren 200 000 bis 400 000 Menschen in ihrem Land konfrontiert. Die Betreuung von Hunderttausenden von Flüchtlingen hat diese prekäre Situation noch verschärft, da die Preise für Miete, Lebensmittel und lebensnotwendige Güter in die Höhe geschnellt sind.
Aus Sicherheitsgründen beziehen wir uns auf diese Länder als Land A, Land B und Land C.
OM: Wie konnte euer Team den sudanesischen Flüchtlingen dienen?
Land A: Wir haben in einem Ankunftszentrum und einem Flüchtlingscamp mit mehr als 1000 Haushalten gearbeitet (mit fünf bis acht Menschen pro Haushalt). Jede Gruppe von Zelten hat einen Chef und es gibt einen ‚Chef der Chefs' für das gesamte Camp. Er erzählte uns, dass jeder Decken, Schlafmatten, Moskitonetze, Flaschen und Kleidung brauchte. Wir beteten und Gott versorgte uns mit einer großen Zahl an Schlafmatten und Moskitonetzen, die wir verteilen konnten. Die Menschen waren sehr dankbar.
Als ich dem Chef der Chefs erzählte, dass wir eine christliche Organisation sind und die Matten von Kirchen und einzelnen Christen gekauft wurden, antwortete er: „Wir danken ihnen wirklich. Wir wissen, dass wann immer muslimische Menschen eine Krise haben, Christen die ersten sind, die helfen. Wir bitten Gott sehr, sie zu segnen und dass sie weiterhin das tun, was sie tun.“
Land B: Wir sind mit Teammitgliedern gesegnet, die selbst sudanesische Flüchtlinge sind, darum haben sie einen Zugang, den nur sehr wenige haben. Sofort nachdem die Krise begann, ging unser sudanesisches Team zu den Haupt-Bus- und Bahnstationen unserer Stadt, um Menschen zu treffen, ihre Geschichten zu hören und Ratschläge zu geben bezüglich Unterkunft, Lebensmittelpreisen und weiterem. Sie begannen, Frühstück und Mittagessen an Orte zu bringen, an denen Flüchtlinge auch draußen schliefen.
Nachdem sich die Soforthilfe beruhigt hatte, wurde es beziehungsorientierter. Unser sudanesisches Team arbeitet in extrem armen Gebieten, besucht Familien, bringt ihnen Essenspakete, Medizin und weiteres. Es war ihnen auch möglich, berufliche Ausbildungen zu organisieren und Matratzen für die ärmsten Haushalte bereitzustellen, sowie Öfen für ihre Wohnungen. Im Winter werden wir ihnen auch Decken bringen.
Seit Covid-19 durften wir erleben, wie sich viele Hauskirchen unter Sudanesen gebildet haben, alle von Menschen mit muslimischem Hintergrund. Jetzt nehmen diese neuen Christen, was sie haben, ihre Erfahrungen, und finden Wege, um anderen zu helfen. Sie fordern einander heraus, wie sie anderen dienen und ihre Kapazitäten erweitern können in ihrer Begrenzung. Sie sind in ihrem jungen Glauben weiter gegangen als viele andere Christen.
Ihr Netzwerk hilft neu angekommenen Flüchtlingen ganz praktisch, weil sie wissen, wie es ist, ein Flüchtling zu sein. Es kommt von einem tiefen, persönlichen Standpunkt. Sie setzen sich zu Familien und hören zu, sie weinen mit ihnen. Gott gebraucht ihre Erfahrungen und ihren Schmerz, um anderen auf eine Art zu helfen, wie es ein Einheimischer oder Ausländer niemals könnte.
Land C: Kürzlich konnten wir 1200 Familien helfen, Lebensmittel zu erhalten, ebenso wie Medizin und medizinische Transporte.
Da die Mehrheit der Menschen, die zu uns kommen, Muslime sind, ist das eine wunderbare Möglichkeit, ihnen vom Evangelium zu erzählen. Wir verteilen Lebensmittel, beten mit Menschen, helfen diejenigen zu ermutigen und zu trösten, die ein Trauma erlitten haben, und geben ihnen Gottes Liebe weiter. Alle, denen es bisher unmöglich war, hören jetzt davon! Ebenso kehrt eine große Zahl unsere Landsleute zurück, die das Land wegen unserer eigenen wirtschaftlichen Krise verlassen hatten – und sie sind Christen! Die Kirchen sind seit April enorm gewachsen.
OM: Was ist die geistliche Auswirkung der Krise?
Land A: Obwohl viele sudanesische Flüchtlinge Muslime sind, sind sie offen, wenn wir Gottes Liebe an sie weitergeben. Wir können davon nicht öffentlich in den Camps erzählen, aber im Privaten, in persönlichen Beziehungen oder außerhalb des Camps. Wir haben auch ein paar Christen der Untergrundkirche unter den Flüchtlingen getroffen. Sie können den Menschen in ihrem Umfeld von Jesus erzählen.
In der Zukunft werden wir vier Personen in diese Gegend aussenden, damit sie Missionsarbeit regelmäßiger betreiben können. Sie werden Frauen für kleine Unternehmen ausbilden, wie zum Beispiel im Nähen oder Stricken, und auch christliche Sportarbeit für Jugendliche anbieten.
Alles, was wir tun, ist das Evangelium an die Menschen aus dem Sudan weitergeben, Beziehungen bauen und helfen, wo wir können. Wir wollen uns nicht nur um die physischen Bedürfnisse kümmern, sondern auch um die geistlichen.
Land B: Gerade findet die größte Auswirkung auf die jungen sudanesischen Christen in unserem Team statt. Vor einigen Wochen unterhielten wir uns in einem Training über Jesu Auftrag aus Matthäus 22,37-39: „Jesus aber sprach zu ihm: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. Dies ist das höchste und erste Gebot. Das andere aber ist dem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Es herrschte eine große Trauer im Raum, als unsere sudanesischen Brüder und Schwestern übereinstimmten: „Wenn unsere politischen Führer im Sudan auf diese Weise gelebt hätten, hätten wir keinen Krieg und niemand hätte fliehen müssen.“ Dann stand ein Mädchen auf und sagte: „Ja, das ist wahr. Aber unsere Gruppe hat realisiert, dass wenn wir auf diese Weise leben, wir die Welt verändern können.“
Am nächsten Tag diskutierten sie, wie sie ihre sudanesischen Nachbarn in ihrem Gastland lieben können.
Land C: Für jemanden, der leidet oder gestresst ist, ist das Evangelium wie ein erfrischendes Glas eiskaltes Wasser an einem heißen Tag, weil derjenige hört, dass ihn jemand liebt und für ihn kämpft. Er wird erfüllt mit Hoffnung, trotz seiner Umstände. Wir haben das viele Male gesehen, während wir Gottes Liebe denen weitergegeben haben, die aus dem Sudan geflohen sind.
OM: Wie kann die weltweite Gemeinde für die sudanesischen Flüchtlinge in eurem Land und auch euer Team beten?
Land A:
Materielle Ressourcen: Die meisten Flüchtlinge haben ihr Land allein mit der Kleidung, die sie am Körper tragen, verlassen. Sie brauchen nicht nur Nahrung, sondern auch Kleidung, Moskitonetze, Decken und weiteres und NGOs (Nichtregierungsorganisationen) stellen diese Dinge nicht zur Verfügung. Ungefähr 90 Prozent der Flüchtlinge hier sind Frauen und Kinder.
Lokale Unterstützung: Da unsere Teammitglieder alle einen muslimischen Hintergrund haben, unterstützen uns die lokalen Kirchen nicht. Wir müssen unsere finanzielle Unterstützung innerhalb unserer Gemeinschaften auftreiben. Wir hoffen, mehr Camps zu erreichen, aber wir sind begrenzt in Ressourcen und Kapazität.
Land B:
Durchhaltevermögen und Widerstandskraft für die sudanesischen Teammitglieder: Unsere sudanesischen Teammitglieder sind sehr beschäftigt und sehr müde. Sie sorgen sich auch um ihre eigenen Familienangehörigen, die im Sudan geblieben sind.
Jüngerschaft der neuen Christen: Betet, dass unser Team unsere sudanesischen Teammitglieder gut unterstützt. Betet auch für die Leiter der Kirchen, die sich neu gegründet haben, dass sie die neuen Christen in der Jüngerschaft anleiten und diese ebenso andere zu Jüngern machen. Sodass sich die Kirche multiplizieren kann.
Land C:
Versorgung der Flüchtlinge: Betet, dass diejenigen, die ihre Heimat verloren haben, Unterkunft, Nahrung, Kleidung und medizinische Versorgung erhalten.
Wirtschaftliche Verbesserung: Betet auch für die wirtschaftliche Situation in unserem Land.
Friede im Sudan: Betet, dass die Krise im Sudan zu einem Ende kommt.
Für unsere Teammitglieder: Betet um gute Gesundheit für unser Team, um Weisheit, Kraft und Ausdauer für unsere Missionsarbeit in dieser Zeit, ebenso wie um Möglichkeiten, das Evangelium weiterzugeben.
Um die Nothilfe im Sudan und unter sudanesischen Flüchtlingen zu unterstützen, besuchen sie unsere Website unter:
https://www.om.org/de/krisenhilfe-im-sudan
** https://www.emro.who.int/sdn/sudan-news/who-supports-the-health-system-…
***https://africacenter.org/spotlight/sudan-conflict-straining-fragility-o…