Am 6. Februar 2023 erschütterte ein Erdbeben der Stärke 7,8 die Türkei und umliegende Länder, doch Gott ist am Wirken auch in schmerzlichen Zeiten.
Es ist 4:17 Uhr im Februar und die Welt schläft. In der Gemütlichkeit und Wärme seines Zuhauses liegt ein Mann im Bett, atmet regelmäßig und entspannt. Wie beim Umlegen eines Lichtschalters wird er plötzlich von einem gewaltigen Beben aus seinem Schlaf gerissen. Nicht nur sein Schlafzimmer schwankt, selbst die Luft und die Erde unter ihm scheinen in Bewegung zu geraten und zu brüllen. Als er hinausrennt, sieht er, wie sein eigenes und das Haus seines Nachbarn in sich zusammenstürzen, sichere Häfen, die jetzt in Trümmern liegen. Der Mann steht dort, umgeben von der brutalen Kälte des Winters und den Schreien von Menschen, die er kennt und liebt, und fragt sich, wie es sein kann, dass er nur wenige Minuten zuvor noch sicher und entspannt in seinem Bett lag.
Das war die Realität für mehr als 14 Millionen Menschen überall in der Türkei in den frühen Morgenstunden des 6. Februar 2023, als ein Erdbeben der Stärke 7,8 das Leben von über 44 000 Menschen genommen hat und das vieler weiterer drastisch veränderte. Es ist leicht, sich zu fragen, wo Gott inmitten solcher Zerstörung ist, doch Rai* zufolge, einer Partnerin von OM, die im Südosten der Türkei arbeitet, ist Gott gerade jetzt mehr als je zuvor machtvoll am Wirken.
Obwohl das Team, mit dem Rai arbeitet, seine Basis in einer einzigen Stadt hat und in die örtliche Kirche dort investiert, beschreibt Rai ihre Arbeit von Zeit zu Zeit als eher nomadisch. Sie reisten entlang der ganzen Küste des Schwarzen Meeres von Stadt zu Stadt und erzählten anderen von Jesus. „Überall wo wir hingingen, haben wir Gebetsspaziergänge unternommen und wenn sich die Gelegenheit ergeben hat, das Evangelium weitererzählt“, berichtet sie.
Während der Zeiten, in denen sie nicht reisten, standen Beziehungsbau und Jüngerschaft im Fokus, bei dem sie Jesus-Nachfolger in ihrem Glauben begleiteten und ihnen halfen, darin zu wachsen. Bibelkreise für Männer und Frauen waren ein Standardteil der Missionsarbeit, so Rai. Auch die Flüchtlingsarbeit stand im Fokus, da über 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge** in der Türkei leben.
Doch als das Erdbeben die Türkei traf, musste sich das Team anpassen – und das schnell. Die wichtigsten Dinge, die diejenigen benötigten, die betroffen waren, waren Nahrung, Unterkunft und andere tägliche Gebrauchsartikel. Das Team kümmerte sich also darum, das zur Verfügung zu stellen.
Jeder packt mit an
Nur eine Woche nach dem Erdbeben wurden zwei Missionsprojekte gestartet: Eines, um alles von Speiseöl über Windeln bis hin zu Shampoo zu verteilen, das andere, um selbstgekochte Mahlzeiten auszugeben. Rai verbringt die meiste Zeit mit Küchenarbeit, wo Freiwillige täglich für über 500 Menschen kochen. Da sich die Küche gleich neben zwei großen Krankenhäusern befindet, hilft sie Familien, deren Angehörige im Krankenhaus liegen, ebenso wie dem medizinischen Personal, das um die Leben der Patienten ringt. Da ist es nicht überraschend, dass die Schlangen oft lang sind. „Es ist ermüdend, wir mussten Paletten von Auberginen und Tomaten waschen“, erzählt Rai in Erinnerung an einen besonders geschäftigen Tag in der Küche. Neben der harten Arbeit hat das Missionsprojekt die Umgebung aufleben lassen – nicht nur physisch, sondern auch geistlich.
Eine Frau, die gerade von einem Arzttermin kam, hatte immer noch Schmerzen in den Füßen. Rai und ein weiterer Mitarbeiter sprachen mit ihr und, nachdem sie das Einverständnis der Frau hatten, beteten für sie. „Ich kniete mich einfach auf den Boden und legte die Hände auf ihre Füße und betete“, erzählt Rai. Wie bei einem Dominoeffekt baten mehr und mehr Menschen um Gebet. Auch wenn das Erdbeben schrecklich war, bringt es viele Möglichkeiten, für diejenigen zu beten, die Jesus noch nicht kennen. „Menschen kommen zum Glauben“, sagt Rai. „Mehr Menschen sind offen, weil sie einfach keine Hoffnung für ihre Zukunft sehen.“
Noch lange nicht am Ziel
Gott wirkt sichtbar in dieser tragischen Zeit, doch es gibt noch viel zu tun. Da ihre Häuser zerstört sind, leben noch unzählige Menschen in Zelten und in der Hitze des türkischen Sommers sind die Lebensumstände kaum auszuhalten. Von der türkischen Regierung und umliegenden Ländern wurden Wohncontainer gestellt, aber deren Verteilung ist ein langsamer und langwieriger Prozess. Rai, die Zeit mit denen verbracht hat, die in den Zelten leben, erzählt, wie schlimm die Situation tatsächlich ist. „Schon um 7:45 Uhr wurde es im Zelt so heiß. Es war entsetzlich heiß!“, erzählt sie. Da sauberes Wasser rar ist, sind auch Duschen zu einem Luxus für die meisten geworden.
Durch das immense Trauma, das so viele durch das Erdbeben erlitten haben, fühlen sich etliche Kirchengemeinden und Partner von OM ausgebrannt. Traumabegleitung ist eine weitere Missionsarbeit, die in der Türkei durchgeführt wird, aber das emotionale und psychologische Gewicht des Erdbebens ist für viele noch immer überwältigend.
In Zukunft plant Rai, sich auf die Verteilung von Hilfsgütern und den Küchendienst zu konzentrieren, da in diesen Bereichen momentan der größte Bedarf besteht. Zusätzlich wünscht sich Rai, ein Team zu bilden, das im August auf Gebetsspaziergänge in andere Provinzen geht, um Jesus zu denen zu bringen, die noch hadern.
Alles in allem sieht Rai, wie Gott in dieser Zeit am Wirken ist. „Elf Jesus-Nachfolger wurden im Juni getauft“, berichtet Rai. „Sowohl vor als auch nach dem Erdbeben kommen Menschen zum Glauben.“ Die Arbeit in der Türkei erinnert daran, dass in den Nachwehen solcher Tragödien oft eine große Hoffnungslosigkeit besteht. Doch in Jesus verliert diese Hoffnungslosigkeit ihre Macht.
Bitte beten Sie für die Partner von OM in der Türkei und die Einheimischen, die mit emotionaler, mentaler und geistlicher Erschöpfung kämpfen. Beten Sie, dass der Herr Momente der Ruhe und Erneuerung schenkt. Bitte beten Sie auch für die Verteilung der Wohncontainer, um Weisheit für diejenigen, die die Verantwortung dafür tragen und für den Verteilungsprozess. Beten Sie schließlich auch um mehr Arbeiter, die in die Türkei ausgesendet werden, da die Ernte reif ist und der Bedarf enorm.
*Name geändert
**https://www.unhcr.org/tr/en/refugees-and-asylum-seekers-in-turkey